Teufelskreis Lernstörungen
Im Folgenden möchten wir versuchen ein Problembewusstsein für die „Teufelskreisläufe“ zu wecken, in welche Eltern und Kinder geraten können, die von Lernstörungen betroffen sind. Am Ende dieser Seite finden Sie einige praktische Ratschläge zum Umgang mit solchen Situationen bzw. zum allgemeinen Umgang mit Kindern.
Lern- und Leistungsstörungen (wie z. B. Legasthenie oder Dyskalkulie) haben ihren Ausgangspunkt zwar häufig in spezifischen Beeinträchtigungen, ein ausgeprägtes Störungsbild kann jedoch fast immer auch auf soziale Bedingungsfaktoren zurückgeführt werden:
Für „lerngestörte“ Schüler gibt es fast täglich Kränkungen und Demütigungen durch Lehrer, Schulkameraden, Eltern oder eigene Misserfolgserlebnisse. Sie reagieren darauf mit:
- Verunsicherungen
- sinkendem Selbstwertgefühl
- Ausgleich durch „Hervortun“ in anderen Fächern oder Bereichen
- Streben nach sozialer Aufmerksamkeit (z.B. durch Kaspereien, etc.)
- Zurückziehendem/fast depressivem Verhalten
- totaler Aufgabe oder Blockade
Dieses Verhalten setzt mit den darauffolgenden Reaktionen der Umgebung den „Teufelskreis Lernstörung“ (vgl. Betz & Breuninger, 1998) erst so richtig in Gang:
Egal, ob das Kind jetzt mit Kaspereien/Angebereien oder durch sich zurückziehendes/träges Verhalten seinen Frust auszugleichen versucht, die Umwelt reagiert zwar mit Aufmerksamkeit, aber eben im negativen Sinn. Antreibungen oder gar Beschimpfungen wie „Streng dich mehr an!“, „Du bist ja nur faul!“ , „Konzentrier dich doch mal!“ usw. lassen die Kinder noch mehr verzweifeln, weil sie schon fast alle Anstrengungen unternommen haben, die ihnen möglich waren. Ebenso wirken Abwertungen oder Verhöhnungen seitens ihrer Mitschüler oder anderer Kameraden, wie z.B. „Du bist ja zu doof!“ oder „Der … kann nicht lesen!“.
Letztendlich wird so der Selbstwert dieser Kinder zusätzlich zu negativen Zensuren angeknackst und sie reagieren je nach Persönlichkeit mit auffälligem Verhalten, sozialem Rückzug oder sie verweigern sich vollständig.
Dies kann dazu führen, dass Schüler mit Lernstörungen in einer Schulform bzw. Klassenstufe landen, die überhaupt nicht ihren Möglichkeiten entspricht, womit sie zum „hoffnungslosen Fall“ abgestempelt werden.
Eine rasche Entlastung durch außenstehende, professionelle Berater oder Therapeuten wird dann notwendig. Oft sind Eltern oder auch Lehrer schon so tief in den Teufelskreislauf hineinverstrickt, dass sie selbst gar nicht mehr helfen können bzw. auch nicht mehr versuchen sollten zu helfen (siehe z.B. www.bke-elternberatung.de)!
Tipps für Eltern
Eltern und Lehrer geraten in den Teufelskreis, wenn sie versuchen, mit Druck und Strafe das lernbeeinträchtige Kind zum Lesen und Schreiben bzw. zum Rechnen zu zwingen. Andere stehen durch gut gemeinte, aber übertriebene Fürsorge der selbstständigen, unabhängigen Entwicklung ihres Kindes im Wege.
Beide Verhaltensweisen sind durchaus verständlich, da den meisten Eltern nur zu genau bewusst ist, wie wichtig eine gute Ausbildung für die Zukunft ihrer Kinder ist. Auf Grund dessen versuchen sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den Weg dorthin zu ebnen. Problematisch wird dies erst, wenn all diese Versuche ihren Kindern zu helfen versagen: Aus Enttäuschung, aber auch aus Überforderung entsteht somit ein akuter Leidensdruck bei Eltern und Kindern.
Wenn Eltern ihren Kindern helfen wollen, hat dies oft weitreichende Konsequenzen, weil dafür zum Teil grundsätzliche Änderungen der Verhaltensmuster der Familie notwendig sind. Das kann beispielsweise heißen, dass man eigene Erwartungen in den Hintergrund stellt oder Leistungsansprüche zurückschrauben muss.
Im Folgenden sind einige wichtige Punkte für Eltern von Kindern mit Lernstörungen zusammengestellt. Vorneweg sei noch einmal klar gesagt: Das Wichtigste bleibt, dass man für sein Kind da ist, hinter ihm steht und es so liebt, wie es eben ist.
Akzeptanz des Kindes so wie es gerade ist,
ohne ihm ständig zu vermitteln wie es sein sollte. Das heißt, man versucht bewusst auch die liebenswerten und positiven Seiten zu sehen.
„Bedenke, ich lerne mehr von einem Vorbild, als von einem Kritiker.“
„Befass dich nicht zu sehr mit meinen schlechten Gewohnheiten. Das veranlasst mich nämlich sie zu behalten.“
„Vergiss bitte nicht, dass ich ohne Verständnis und Ermutigung nicht gedeihen kann.“
Entdramatisierung von Misserfolgen
Misserfolgen ist man nicht wehrlos ausgeliefert. Man kann durch aktive Ermutigungen und Betonung der Stärken des Kindes helfen, Misserfolgserwartungen zu überwinden.
„Verzweifle nicht wegen meiner Misserfolge. Ohne deine Unterstützung habe ich auch keine Hoffnung mehr.“
Unterstützende Begleitung in Maßen,
das heißt helfen bei Überforderung ohne aber gleich alle Schwierigkeiten zu nehmen. Wichtig ist es Engagement und Anstrengungen anzuerkennen und nicht nur auf das Ergebnis zu achten.
„Schenke meinen Problemen nicht zuviel Aufmerksamkeit und verwandle dich nicht in meinen Nachhilfelehrer. Es könnte sonst sein, dass ich denke, dass ich nur durch meine Schulprobleme deine Aufmerksamkeit bekomme.“
„Tu nichts für mich, was ich selber tun kann. Sonst fühle ich mich wie ein Baby und stelle dich weiter in meine Dienste.“
„Schütze mich nicht zu sehr, sonst kann ich nicht mehr aus Erfahrung lernen und habe später Angst, wenn ich neue Erfahrungen machen soll.“
Solidarität zum Kind zeigen/Rücken stärken
„Wenn es hart auf hart geht, zeige mir, dass du hinter mir stehst, auch wenn du nicht mit allem einverstanden bist, was ich mache.“
„Hilf mir, wenn ich trotz aller Anstrengungen nicht weiter komme. Zeige mir, dass ich wertvoll für dich bin, auch wenn meine Leistungen gerade nicht so gut sind.“
In der Familie: KIND groß und schule klein schreiben
Vertrauen und Sicherheit schaffen
durch eindeutige Absprachen zwischen Eltern und Kind und deren beidseitige, zuverlässige Einhaltung; z. B. Versprechen einhalten (sich an Absprachen halten zwischen Eltern und Kind) bzw. möglichst nur Versprechen geben, die auch einhaltbar sind. Kinder brauchen einen klaren Rahmen, um sich sicher zu fühlen.
„Sei nicht wechselhaft. Das verwirrt mich und ich versuche desto mehr, alles zu erreichen, was ich will.“
„Hab keine Angst, mit mir bestimmt umzugehen. Mir ist das lieber; dann weiß ich nämlich, woran ich bin.“
„Zwing mich nicht. Das lehrt mich, dass nur Macht zählt. Ich reagiere besser auf Anleitung.“
Nicht alles alleine durchkämpfen,
d.h. mit anderen Betroffenen sprechen, das Angebot entsprechender Elterngruppen (siehe unter www.bvl-legasthenie.de) wahrnehmen und sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man Unterstützung braucht.